Karatepionier Tokio Funasako “ Held der Zeit” feierte seinen80. Geburtstag mit einem fulminanten Karatelehrgang in Bruchsal

Begeistert klatschen die Zuschauer am Ende der Rede von Anton Klotz, der als Vertreter des KVWB und DKV angereist war, um Großmeister Funasako beim Lehrgang zu Ehren seines 80. Geburtstag zu gratulieren. Neben einem hochkarätigen Trainerteam aus verschiedenen Karate-Stilrichtungen reisten auch mehr als 130 Teilnehmer aus nah und fern an und trainierten traditionelle Elemente, sportliches Wettkampftraining sowie realistische Selbstverteidigung. Vor der letzten Trainingseinheit hörten alle gespannt den Ausführungen von Anton Klotz mit vielen Informationen aus dem Leben von Hanshi Tokio Funasako zu.

Er kam am 4. September 1944 in Kagoshima in den Wirren des zweiten Weltkrieges zur Welt. Die medizinische Versorgung und das Essen waren zu dieser Zeit sehr knapp, so dass er bei der Geburt stark untergewichtig war. So teilte man den Eltern mit, dass er nur zwei oder drei Tage leben würde. Die Eltern glaubten dieser Voraussage nicht und gaben ihm den Namen Tokio. Dies bedeutet „Held der Zeit“. Sie sollten Recht behalten.

In der Schule später lernte er zunächst Kendo und Sumo-Ringen. Mit 12 Jahren begann er Shorin-Ryu-Karate zu trainieren und spielte zum Zeitvertreib Samurai-Krieg mit Pfeil und Bogen oder übte allein am Makiwara.

Mit 15 Jahren zog er auf Geheiß seines Vaters nach Tokyo zu seinem älteren Bruder Kiyohiko, um erwachsen zu werden. Das Weggehen von zu Hause spielt in der traditionellen japanischen Erziehung eine große Rolle. Dort wollte er zunächst Boxen lernen. Da der Trainer jedoch zweimal zu spät kam, entschied er sich doch für Karate bei Großmeister Urakawa im Shinbukan in Tokyo, wo in 3 Dojos mehr als 3000 Schülern trainierten.

Seine Disziplin war außergewöhnlich und er trainierte einmal 6 Jahre am Stück ohne einer verpassten Trainingseinheit. Die Großmeister von ganz Japan veranstalteten neben dem Training viele Wettkämpfe zwischen den Dojos und Stilrichtungen. Karate war zu dieser Zeit Kumite, also nur Kampf. Es gab wenige Wettkampfregeln. Diese Kämpfe endeten oft in Knockouts. Man kämpfte bis zur Bewusstlosigkeit oder zog sich schwere Verletzungen zu. Ein Arzt war nicht anwesend. Tokio Funasako nahm an unzähligen solcher Kämpfe teil und gewann mehrere Male die Stadtmeisterschaften von Tokyo und die Gesamt-Goju-Ryu-Meisterschaften.

Im Jahr 1967, nach der Gründung der Karate-Do Renmei richtete man erstmals in der Geschichte des Karate in Japan ein Wettbewerb aller Stilrichtungen aus. Zuvor nahm Gogen Yamaguchi im Mai 1967 Tokio Funasako in die Nationalmannschaft auf. Am 1. Oktober 1967 trafen in Tokyo die jeweils zehn Besten aller Stilrichtungen in einer Art Allkategorie aufeinander. Darunter befanden sich zahlreiche zukünftige alljapanische Meister und Weltmeister. Aufgrund der vielen Teilnehmer fanden eine Woche lang Vorkämpfe statt. Am Ende war Tokio Funasako einer der drei Sieger.

1968 wurde Tokio Funasako vom Deutschen Sportbund nach Deutschland eingeladen. “Mindestens zwei Jahre musst du durchhalten”, hatte ihm Yoshihiro Urakawa befohlen. Von Gogen Yamaguchi bekam er die Anweisung den Goju-Ryu-Stil in Deutschland zu verbreiten. Und so machte er sich am 6. Mai 1968 (damals 3. Dan) auf den Weg nach Deutschland. Nach einer beschwerlichen 6-wöchigen Anreise kam er mit wenig Geld in der Tasche und ohne nennenswerte Deutschkenntnisse an. Die ersten Jahre waren daher besonders anstrengend. Er nahm verschiedene Jobs an, um sich über Wasser zu halten. In den Mittagspausen lernte er Deutsch und abends gab er Unterricht. Die Mühe lohnte sich. Aus den anfangs wenigen Schülern wurden mehr und es entstanden zahlreiche Dojos in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. 1973 gründete er mit einigen anderen den Goju-Kai Karateverband Deutschland (GKD). Man strebte jedoch einen gemeinsamen großen Karateverband an, dem alle Stilrichtungen angehören sollten. 1976 war es soweit. Die Vertreter der drei großen Verbände DKB, GKD und Wado-Kai trafen sich am damaligen Tag der deutschen Einheit (17.06) und schlossen sich zum Deutschen Karate-Verband (DKV) zusammen. Tokio Funasako, damaliger Bundestrainer des GKD war zugegen.

Zusätzlich zum eigenen Training flog Tokio Funasako regelmäßig nach Japan, um seine Technik weiter zu verbessern und DAN-Prüfungen bei japanischen Großmeistern abzulegen. Bis zum dritten Dan legte er diese bei Yoshihiro Urakawa ab. Dieser starb 1974. 1972 wurde er von Gogen Yamaguchi zum Verbandsleiter Deutschland des Zen Nihon Karate-Do Goju Kai ernannt und erhielt das Recht seine Karatefaust in Deutschland tragen zu dürfen und Berechtigungen zu erteilen. Weitere Dan-Prüfungen legte er bei Gogen Yamaguchi ab. Nach der Prüfung zum sechsten Dan 1981 forderte ihn der jüngere Sohn von Gogen Yamaguchi zum Kampf heraus und unterlag. 1989 starb Gogen Yamaguchi und so legte er die Prüfung zum 7. Dan 1995 bei Yukinori Uehara ab. Er war der Nachfolger von Gogen Yamaguchi (JKF Goju-Kai) sowie ein direkter Schüler von Chojun Miyagi. 1997 gründete er zusammen mit Kiyoshi Ogawa den International Goju-Ryu Karate-Do Renmei (IGKR e.V.), einen Fachverband für traditionelles Goju-Ryu-Karate und Budo Künste, mit dem Ziel Karate-Do traditionell zu betreiben. Aufgrund seines besonderen Engagements ehrte ihn der DKV 2002 mit dem 8. und 2013 mit dem 9. Dan. Auch Osamu Hirano aus Japan würdigte ihn 2004 mit dem „Roten Gürtel“. Es ist die höchste Auszeichnung aus Japan, welche im traditionellen Karate vergeben werden kann. Zuletzt gründete er den Verein Yamato-Kai, welcher sich mit der Förderung von traditioneller japanischer Kultur und Kampfkunst beschäftigt. Heute mit 80 Jahren lehrt er immer noch regelmäßig Karate im Hombu-Dojo in Neckarmühlbach. Auf Einladung des singalesischen Karateverbandes flog er auch dieses Jahr wieder nach Sri Lanka, um DAN-Prüfungen abzunehmen und Trainings zu leiten. Auch fuhr er 2024 wieder nach Rügen zum großen Sommer-Combat-Lehrgang. Darüber hinaus erhält immer wieder Einladungen aus dem In- und Ausland für Trainings oder Lehrgänge.

Hanshi Tokio Funasako zeigte sich erfreut an seinem Ehrentag über die Ansprache und den Ausführungen über die verschiedenen Stationen aus seinem bewegten Leben. Er bedankte sich für die Auszeichnung des DKV- Ehrenordens, der höchsten Auszeichnung im DKV. Zuvor erhielt er am gleichen Tag von Athule Minithanthri eine

Ehrenurkunde mit der Ernennung zum Soke*. Dieser begründete die Ernennung damit, dass er eine lebende Legende sei.

Für Hanshi Tokio Funasako war es darüber hinaus sehr wichtig, die Schüler darauf hinzuweisen, dass stetiges Trainieren wichtig für Körper und Geist sei nach dem japanischen Sprichwort „Fließendendes Wasser wird nicht faul!“

Beim späteren gemeinsamen Abendessen erzählten die Trainer, wie sie Großmeister Funasako kennengelernt hatten und wie diese Begegnung ihr späteres Leben prägte. Auch trugen einige Schüler aus dem IGKR eine Dankesrede vor. Sie brachten damit ihre Dankbarkeit zum Ausdruck, für seinen unermüdlichen Einsatz für seine Schüler und ein vielseitiges Karate.

Sandra Huther

Anmerkung: Aus praktischen Gründen habe ich die Dan-Grade und weitere Titel bei den Trainern weggelassen. Man findet sie aber bei dem Trainerbild. Eintrag Wikipedia:Sōke (japanisch ) heißt wörtlich Familienoberhaupt bzw. Gründer oder Rektor. So oder als Dōshu bezeichnet man den Begründer/ Bewahrer einer ganzen Kampfkunst (jap. Budō) oder einer Stilrichtung aus Fernost.

 

Trainerteam von links nach rechts: Veli Sanli, 6. Dan Karate, Karatelehrer SV Trainer, Jürgen Kestner, Vize Europameister, Goju Ryu Kumite, SV Ausbilder DKV, Shihan Antonio Leuci, Vizeweltmeister, dreifacher Europameister, Bundestrainer a. D. DKV, Shihan Ajlan Sahin, 9 facher deutscher Goju Ryu Meister Kata und Kumite, Hanshi Tokio Funasako, Shihan Werner Dietrich, Ausbildungsreferent für Selbstverteidigung, Shihan Athule Minithantri, Japan Karatedo Dhammika-Ha Shito Ryu Kai International, Reinhard Schmidt, 7. Dan Karate,   Shotokan Weltmeister, SV und Gewaltschutztrainer